Das begrünte Büro für gesunde und zufriedene Mitarbeiter


Ausgerechnet(e) Zimmerpflanzen.
Was die Gärtner am Markt nicht vermochten, das haben jetzt die Bayerischen Motorenwerke (BMW) geschafft:
In der Münchner Hauptverwaltung arbeitet man an einem Innenraumbegrünungsstandard für den Konzern.

Wieviel Innenraumbegrünung braucht der Mensch?
„So viel wie möglich", sagt der Gärtner.
„So viel, dass es sich rechnet". sagt BMW.
Das Innenraumbegrünung dem Menschen Gutes tut, das pfeifen in der grünen Branche längst die Spatzen von den Dächern. Dennoch hat der Gartenbau wieder einmal geschlummert und es bislang nicht geschafft, die vielfältigen Wohlfahrtswirkungen von Pflanzen für sich stärker als bisher in bare Münze umzusetzen, indem er allen Grünbedürftigen offensiv und konzeptiv Kosten und Nutzen einer Investition in mehr Grün vorgerechnet hätte.

Achtung Arbeitssicherheit!
Anders der Ansatz bei BMW in München: Beim gesetzlich vor geschriebenen Monitoring von Bildschirmarbeitsplätzen war der Abteilung Arbeitssicherheit aufgefallen, dass sich Mitarbeiter über gesundheitliche Beschwerden am Arbeitsplatz wie Atemwegserkrankungen, Trockenheit und Angespanntheit beklagten. „Angeregt von internationalen Forschungsergebnissen", so die Leiterin der Arbeitssicherheit bei BMW, Beate Klug, beschloss man, der Sache auf den Grund zu gehen und die Beschwerden mit Hilfe gezielter Bürobegrünung zu mindern denn. Das Unternehmen führte eine werksinterne Studie zum Thema „Das begrünte Büro als Gesundheitsschutz" durch. Die Ergebnisse haben die in Zahlen denkenden Ingenieure und Betriebswirtschaftler von BMW ebenso verblüfft wie hellhörig gemacht: „Das persönliche Wohlbefinden der Mitarbeiter erhöhte sich signifikant; das begrünte Büro entwickelte sich zum werksinternen Arbeitsplatzfavoriten". so Beate Klug. Sogar die skeptischen Ingenieure hatte überzeugt, dass die subjektiven Empfindungen durch wissenschaftlich messbare Daten deutlich ablesbar bestätigt waren. In einem Folgeprojekt wer den jetzt die gefundenen Ergebnisse optimiert sowie betriebswirtschaftlich bewertet. Das Ziel: ein generell umsetzbarer, werksinterner BMW-Innenraum Begrünungsstandard der Mitarbeiter.

Klima-Kritik der Mitarbeiter
Die Eingangs durchgeführte Mitarbeiterbefragung schälte als Kernkritik das Raumklima im typischen Großraumbüro heraus: die durch Klimaanlagen bedingte Zugluft, die zu geringe Luftfeuchtigkeit, die schlechte Luftqualität, die elektrostatischen Aufladungen sowie jahreszeitlich bedingte Temperaturschwankungen. Allesamt Faktoren, die mit über 30% den häufigsten Grund für Arbeitsunfähigkeit. das sind Erkrankungen der Atemwege, beeinflussen – so eine Studie des Bundesverbands der Betriebskrankenkassen (BKK) aus den Jahren 1999/2000.

Hausstudie durchgeführt
 Ziel des BMW-Pilotprojekts war es folglich, die Klimasituation zu verbessern und durch geeignete Pflanzen eine Alternative zu technischen Klima und Befeuchtungsanlagen zu finden. Für diese Hausstudie wurden drei Büros mit ver- schiedener Begrünung und unterschiedlichen Belüftungsformen bestückt. Das „Pflanzenbüro war speziell bepflanzt worden und war mit Fensterlüftung versehen. Verglichen wurde das mit dem ebenfalls fenstergelüfteten „Standardbüro„ mit seiner bisherigen, handelsüblichen Standardbepflanzung. Das „Klimabüro letztlich verfügte weder über Begrünung noch über Fensterbelüftung: Es wurde über eine raumlufttechnische Anlage belüftet. Die 308 m2 Bürofläche im „Pflanzenbüro" wurden zu 11% (34m2) begrünt. In 69 Pflanzgefäßen wurden dort rund 1000 Pflanzen aufgestellt. Deren wöchentliche professionelle Pflege übernahm eine Gärtnerei.

Grün war begehrlicher
Über die gefundenen Ergebnisse berichtet Beate Klug: "Das ‚Pflanzenbüro‘ entwickelte sich sehr schnell zum bevorzugten Arbeitsort. In Mitarbeiterbefragungen erreichte es während eines Jahres fast durchweg die Bewertungsnote eins, vor dem ‚Standardbüro‘ und dem ‚Klimabüro‘, dem Schlusslicht. Über 93% der Befragten fühlten sich nach der Bepflanzung wohler und gaben an, dass sich der Schallpegel deutlich verringert habe. 47% der Mitarbeiter fühlten sich durch die Bepflanzung entspannter, 29% waren motivierter bei der Arbeit. Beim persönlichen Empfinden der Mitarbeiter herrschte große Einigkeit in der Belegschaft – die Luftqualität im Pflanzenbüro wurde als verbessert hervorgehoben."

Messdaten lügen nicht
Die Messdaten der untersuchten Parameter Temperatur, Luftfeuchte, CO2 und Keimbelastung, Gefahrstoffkonzentration und Akustik untermauerten die subjektiven Mitarbeitereindrücke und hoben sie aus der Ebene rein persönlicher Eindrücke. So konnte ingenieurstechnisch ausgewiesen werden, dass Pflanzen im Büro nicht nur einen positiven Einfluss auf die Temperatur im Raum haben, sondern auch die Luftfeuchtigkeit im Sommer wie im Winter im optimalen Bereich halten. In den beiden Referenzbüros („Standardbüro" und "Klimabüro") war dagegen im Winter die Luft eindeutig trockener als durch gesetzliche Vorgaben empfohlen. Unabhängig von der Außentemperatur, blieb die Temperatur im begrünten Büro so gleichmäßig wie im klimatisierten Büro mit seiner gesteuerten Temperaturregelung, während im nicht klimatisierten Referenzbüro Schwankungen zu beobachten waren.

Keimbelastung deutlich geringer
Im begrünten Büro war die gemessene Keimbelastung gegenüber den Referenzbüros um 70% reduziert. Zudem „wiesen die feinstofflichen Messungen eindeutig aus", dass Pflanzen Gefahrstoffe wie Formaldehyd, Benzol, Aceton oder Nikotin auch in der Praxis eines Büros abbauen. „Je nach Schadstoff, ist eine Reduktion der Konzentration zwischen 28 und 76% pro m2 zu erkennen", bestätigt Beate Klug. Messdaten gab es bis lang zur akustischen Raumwirkung von Begrünungen. Hier hat BMW Pionierarbeit geleistet. Beate Klug dazu: Beeindruckende Ergebnisse erbrachte auch die Akustikmessung im begrünten Büro. Pflanzen zeichnen sich generell durch eine große Absorptionsfläche und einen geringen Nachhall aus. Im Pflanzenbüro war die Absorptionsfläche für Schall fast doppelt so hoch, wie es die gesetzliche Mindestanforderung für akustische Behaglichkeit fordert. Übersetzt bedeutet das: Würde man die schalldämpfenden Effekte der Pflanzen auf technischem Wege erzeugen wollen, müsste ein Büro mit 91m2 Absorbtionsfläche ausgestattet werden, was 40 Stellwänden entspricht eine beeindruckende Leistung, die die Pflanzen da erbringen!
 
Was kostet der Nutzen?
BMW hat, ohne die internen Forschungsaufwendungen und damit verbundene weitere Investitionen, allein pro Pflanzgefäß zwischen 200 und 350 € ausgegeben. Vorteil der intensiven Messungen in allen Bereichen war, dass die gemessenen Faktoren und gefundenen Werte nun aber als quantifizierbare Leistung der Pflanzenangesehen werden konnten. Das machte sie betriebswirtschaftlich greifbar und den ent standenen Kosten gegenrechenbar. Und es machte dar stellbar, wie eine Investition in Grün sich rechnen würde, um künftige Raumklima und Mit arbeiterprobleme von vornher ein zu vermeiden. Beispiele: Was ist bei gleicher Leistung preiswerter – Pflanzen oder Stellwände? Welche Kosten durch Krankheitstage lassen sich einsparen, wenn Pflanzen das Büro klimatisch aufwerten! Zwischenbilanz: „Den Anschaffungs- und Pflegekosten, dem Flächenmehrbedarf und der zusätzlichen Beleuchtung auf der Kostenseite standen eine deutlich höhere Zufriedenheit und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter gegenüber. Zudem konnten Beleuchtungsanlagen und Akustikschutzmaßnahmen sowie technische Lüftung eingespart werden, sagt Beate Klug.

Feinschliff  mit Projekt II
Grundsätzlich hat man bei BMW den Wert von Grün am Arbeitsplatz erkannt, setzt auf ihn und hat den oben genannten BMW-Standard als Zielvorgabe. Im gerade angelaufenen zweiten Projekt geht es nun noch um wirtschaftliche Optimierungen, „bevor ein firmeninterner Standard in Räumen mit klimatischen Problemen oder direkt in BMW-Neubauten implementiert werden kann;. So wird derzeit daran gearbeitet, die Pflegekosten zu senken, indem BMW „jetzt nur noch Hydrokulturen einsetzt". Den bislang noch deutlich zu hohen Platzbedarf fürs Grün will man dadurch signifikant senken, dass man jetzt Hochleistungsverdunster einsetzt, wie sie am Markt unter der Marke „Prima-Klima-Pflanzen" zu bekommen sind. Sie hatten bei BMW in ihrer bisherigen Leistung überzeugt und im Variantenvergleich am besten abgeschnitten. Weil diese Pflanzen in ihrer Raumluftbefeuchtung berechenbar sind, freuen sich die Ingenieure hier über eine fest kalkulierbare Größe. Momentan werden vier unter schiedlich bepflanzte Büros miteinander verglichen: das bestehende „Pflanzenbüro mit reduzierter Blattmasse, ein Büro mit Mischbepflanzung, ein Büro mit reiner „Prima Klima-Bepflanzung und ein wie oben beschriebenes, bisheriges „Standardbüro". Offenbar in Erwartung eines sich einstellenden Erfolges denken die BMW-Verantwortlichen sogar schon einen Schritt weiter: Sie haben erste Versuche mit Begrünungsprojekten in BMW. Produktionsstätten, also am Band, gestartet. Konkrete Ergebnisse dazu werden In 2004 erwartet.

Text und Bilder: Engelbert Kötter, Walldürn-Rippberg
Deutscher Gartenbau
Ausgabe  51-52/2003

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